Das botanische System der Pilze

Von Alters her versuchen die Wissenschafter und Biologen für die Pilze wie auch für alle anderen Pflanzen Systeme zu schaffen, innerhalb derer die einzelnen Arten leicht einzuordnen sind. Einer der frühesten Wissenschaftler, der sich der Systematik der Pilze annahm war der Schwede Elias Fries und sein Namenskürzel (Fr) finden wir auch heute noch hinter einer unglaublich großen Zahl der sogenannten wissenschaftlichen Namen, die er den Pflanzen und Pilzen gegeben hat, die von ihm das erste Mal beschrieben und in sein System eingeordnet worden sind.

Sein System revolutionierte die bis zu dem damaligen Zeitpunkt vorherrschende biologische Lehrmeinung und hat in großen Teilen heute noch Bestand. Dem "friesschen System" verdanken wir auch einen der Hauptgründe, weshalb die wissenschaftlichen Namen aus zwei Namensteilen bestehen.

Der erste Name bezeichnet die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Teil des Systems der Pilze und wird deshalb auch Gattungsname genannt, während der zweite Name, der sogenannte Artname, zumeist eine bestimmte, wichtige Eigenart des damit bezeichneten Pilzes angibt. Oft wird mit dem Artnamen aber auch an einen berühmten Mykologen oder Biologen erinnert, der sich um die Pilzkunde besonders verdient gemacht hat. So trägt zum Beispiel der Samtpfifferling - gehört in die große Gruppe der echten Pfifferlinge - zu Ehren unseres oben genannten Herrn Elias Fries den botanischen (wissenschaftlichen) Namen Cantharellus friesii (Cantharellus => Gattung der Pfifferlinge, friesii=> zu Ehren des Herrn Fries). Hier erkennen wir gleichzeitig, dass die wissenschaftlichen Bezeichnungen der Pilze nicht immer den präzisen wissenschaftlichen Anspruch abdecken, wie man vermuten könnte.

Während der deutsche Artname Samtpfifferling ein sehr deutliches Merkmal des Pilzes, seine samtige Hutoberfläche benennt, wurde mit dem wissenschaftlichen Artnamen zwar ein berühmter Mykologe geehrt, über den Pilz selbst, seine Merkmale oder besonderen Eigenschaften, sagt dieser Name aber nichts aus.

Der entscheidende Vorteil, der international zur Verwendung der wissenschaftlichen Namen geführt hat, ist lediglich der, dass der Pilz in aller Welt einen einheitlichen, identischen Namen hat, während die nationalen Volksnamen deutlich voneinander abweichen können, z. B. der Pfifferling, auch bekannt unter den Namen Eierschwamm, Pfefferling, Reherl, Rehling und sicherlich noch anderen Namen.

Im Falle unseres Samtpfifferlings ist es sogar so, dass diese Pilzart in Deutschland zwar gut bekannt ist, der Pilz in Norwegen aber nur äußerst selten in den östlichen Gefilden des Oslofjordes vorkommt, wo auch etwas Buchen- und Eichenwald gedeiht. Der Pilz hat deshalb in Norwegen überhaupt keinen norwegischen Volksnamen. Will nun ein norwegischer Mykologe über einen Fund dieses in Norwegen seltenen Pilzes berichten, muss er nicht erst einen eigenen Namen erfinden, sondern er greift auf den vorhandenen wissenschaftlichen Namen Cantharellus friesii zurück.

Mit Gattungs- und Artnamen zusammen ist der so benannte Pilz zu jeder Zeit auf der ganzen Welt von jedem, der sich in der botanischen Systematik auskennt, zu identifizieren. Ist man mit der entsprechenden Fachliteratur ausgestattet, findet man unter diesem Namen dann auch die passende zeichnerische oder fotografische Abbildung und meist auch eine genaue Artbeschreibung dazu.

Auch wir greifen auf der einen Seite für die Einordnung unserer Pilzportraits gerne auf das wissenschaftliche System zurück, möchten aber auf der anderen Seite auf die landesüblichen, volkstümlichen Namen, die wir sowohl in Deutsch als auch in Norwegisch angeben, nicht verzichten.

Nachfolgend möchten wir anhand eines weithin bekannten Röhrlings mit dem deutschen Namen Fichtensteinpilz beispielhaft demonstrieren, wie das botanische System der Pilze funktioniert:

In der Biologie, also der Lehre von allem Lebendigen, finden sich unter dem Oberbegriff Botanik drei Reiche, die in jeweils ihrer Welt die oberste Instanz, die Zusammenfassung im gröbsten Rahmen darstellen.

Diese Reiche sind für die Pflanzenwelt das Reich Flora, für die Tierwelt das Reich Fauna und für die Pilzwelt das Reich Funga. Alles was lebt auf Erden, wird von den Biologen in eines der drei Reiche eingeordnet.

Das Reich der Funga, der Pilze, setzt sich aus vier Abteilungen zusammen, der Abteilung der:

- Schleimpilze (Myxomycota)
- Algenpilze (Oomycota)
- Flagellatenpilze (Chrytridiomycota)
- Echten Pilze (Eumycota).

Alle Großpilzarten, mit denen wir uns im Laufe der Zeit noch befassen wollen, gehören zu den Echten Pilzen, Eumycota, also auch unser oben erwähnter Steinpilz.

Die Abteilung der Echten Pilze spaltet sich nach der Art und Form der bei den Großpilzen sich entwickelnden Vermehrungsorgane - dies wurde bereits in den vorhergehenden Kapiteln behandelt - in zwei große Klassen auf und zwar in die Klasse der:

- Schlauchpilze (Ascomycetes)
- Ständerpilze (Basidiomycetes).

Unser Steinpilz hat Basidien, also Ständer, und gehört somit in die Klasse der Ständerpilze. Um dies festzustellen, muß man entweder einem vorhandenen Pilzbuch glauben oder man hat ein Mikroskop und kann nachsehen. Ohne Mikroskop, nur mit bloßen Augen oder mit einer Lupe kann man die Basidien nicht erkennen.

Innerhalb der Klasse der Ständerpilze gibt es vier wichtige Ordnungen und zwar die Ordnung der:

- röhrlingsartigen Pilze (Boletales)
- Blätterpilze (Agaricales)
- sprödblättrigen Pilze (Russulales)
- Nichtblätterpilze (Aphyllophorales).

Unser Steinpilz hat unter dem Hut ein Röhrenpolster oder Röhrenfutter - viele sagen wegen des badeschwammartigen Aussehens des Röhrenpolsters auch "Schwamm" dazu, und so wurde auch der bayrische Name "Schwammerl" für diese Pilze geboren.

Tatsächlich sind es aber einzelne Röhren ohne besonders festen Zusammenhalt und mit ein bisschen Vorsicht lassen sich alle diese Röhren auch einzeln von dem großen Rest des Röhrenpolsters und vom Hutfleisch ablösen.

Der Steinpilz gehört also in die Ordnung der röhrlingsartigen Pilze.

Auch die Ordnungen sind weiter unterteilt, nämlich in Familien, und derer gibt es bei den Röhrlingsartigen auch wieder mindestens vier und zwar die Familie der:

- düsteren Röhrlinge (Strobilomycetaceae)
- Röhrlinge im eigentlichen Sinne (Boletaceae)
- Kremplinge und Afterleistlinge (Paxillaceae) und
- Gelbfüße und Schmierlinge (Gomphidiaceae).

Da der Steinpilz zwar gerne einen besonders dicken Stiel, aber keine düsteren antrazith bis schwarzgrauen Farben aufweist, ordnen wir ihn der Familie der Röhrlinge im eigentlichen Sinne zu - und dort gibt es als weiteres Unterscheidungsmerkmal die Gattungen.

Davon gibt es in der Familie Röhrlinge (Boletaceae) mindestens zehn, die wir hier nicht alle aufzählen wollen.

Die wichtigsten Gattungen sind die der:

- Dickröhrlinge (Boletus)
- Filzröhrlinge (Xerocomus)
- Schmierröhrlinge (Suillus)
- Rauhstielröhrlinge (Leccinum).

Den Steinpilz ordnen wir anhand des Merkmals mit dem dicken Stiel und aufgrund seines großen kräftigen Fruchtkörpers in die Gattung der Dickröhrlinge (Boletus) ein.

Innerhalb dieser Gattung finden wir eine große Anzahl von Pilzen, die alle als gemeinsames Merkmal einen dicken Stiel und ein gewisses wuchtiges Aussehen haben, darunter allein 6 verschiedene Steinpilzarten. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind also notwendig, um unseren Steinpilz von dem Rest der Dickröhrlinge mit dickem Stiel und kräftigem Aussehen abzugrenzen. So gilt es dann, die Farbe zu beachten und weitere besondere Kennzeichen herauszuarbeiten, bis unter der kleinen Gruppe der Steinpilze endlich die häufigste Steinpilzart:

- zu deutsch: der Herrenpilz oder Fichtensteinpilz
- norwegisch: Steinsopp und
- wissenschaftlich: Boletus edulis (der Edle) als Name feststeht.

Steinpilz

- Steinpilz -
- Boletus edulis -
- Norwegisch: Steinsopp -
- Speisewert: hervorragender Speisepilz -

Fassen wir also nochmals zusammen:

- Das Reich Die Pilze Funga
- Die Abteilung Die Echten Pilze Eumycota
- Die Klasse Die Ständerpilze Basidiomycetes
- Die Ordnung Die Röhrlingsartigen Pilze Boletales
- Die Familie Die Röhrlinge im eng. Sinn Boletaceae
- Die Gattung Die Dickröhrlinge Boletus
- Die Art Der Fichtensteinpilz/Steinsopp Boletus edulis

Diese Klassifizierung benötigen wir auch künftig, wenn wir einen Pilz porträtieren und ihm seinen Volksnamen, aber auch wissenschaftlichen Namen, geben und ihm auf diese Weise seinen Platz in der botanischen Systematik der Pilze zuweisen.